Bildung muss von Anfang an kostenlos sein

(24.08.09 / )
800.000 Kinder in Nordrhein-Westfalen leben in Armut. Ihre Bildungschancen sind dadurch geringer, eine schlechte Schulkarriere oft vorprogrammiert. Ohne Schulabschluss finden sie keinen Ausbildungsplatz und werden später oft zu Leistungsempfängern statt zu Leistungsträgern. Diese Abwärts-Spirale zu unterbrechen hat sich Renate Hendricks zur Aufgabe gemacht. Die engagierte Landtagsabgeordnete ist Sprecherin der SPD in der Enquête-Kommission „Chancen für Kinder - Rahmenbedingungen und Steuerungsmöglichkeiten für ein optimales Betreuungs- und Bildungsangebot in Nordrhein-Westfalen". Über ihre Arbeit berichtete sie beim Forum „Bildung ist Menschenrecht“ der SPD-Fraktion Dormagen. „Das Dormagener Modell ist beispielhaft für eine gute präventive Kinder- und Jugendarbeit und wird bereits von vielen Kommunen übernommen.“, so Hendricks. Die Kommission hat viele Aspekte des Dormagener Modells übernommen und fordert, dass landesweit durch aufsuchende Hilfe das Vertrauen der Eltern in die Jugendhilfe gestärkt und durch Vernetzung aller Einrichtungen frühzeitig optimale Hilfe angeboten werden soll. Gegen das immer wieder dagegen ins Feld geführte Argument der leeren Kassen wandte sich Gerd Trzeszkowski, der Dormagener Bürgermeisterkandidat: "Dormagen ist auch ein Beispiel dafür, dass frühzeitige Investitionen in gute Erziehung, Betreuung und Bildung die Folgekosten fehlenden Engagements reduziert. Das ist sogar von der Gemeindeprüfungsanstalt NRW in Dormagen erfolgreich geprüft worden." Die frühkindliche Bildung ist durch das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) verschlechtert worden: „Die Einrichtungen haben weniger Personal, Mehrkosten werden den Kommunen oder den Eltern durch höhere Beiträge aufgebürdet.“ Christiana Kemmerling, Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses und Leiterin des Familienzentrums der Caritas in Dormagen, merkte an: "Insbesondere finanzschwache Träger, wie Elterninitiativen, sind durch die Finanzierungsregeln gefährdet. Und in meiner Einrichtung, die vom Land als Muster für die Familienzentren ausgezeichnet wurde, kam es in Folge von KiBiz zur Personalreduzierung." Gerd Trzeszkowski monierte die schleichende Verlagerung der Finanzierung vom Land auf die Stadt, ob nun im Kindergartenbe¬reich oder bei der OGS. "In Dormagen haben wir quasi einen Rechtsanspruch auf Betreuungsplätze ab dem 4. Lebensmonat geschaffen. Schon jetzt nutzen rund 300 Kinder dieser Altersgruppe Kindergärten oder werden von engagierten Tagesmüttern versorgt, bei gleichen Elternbeiträgen. Hier engagiert sich Dormagen finanziell weit über das gesetzlich vorgesehen Maß." Er forderte das Land auf, die für den Ausbau der Kleinkinderbetreuung bereitgestellten Bundesmittel endlich auch an die Kommunen weiterzuleiten. Der Übergang vom Kindergarten in die Schule müsse flexibel gestaltet werden, um die individuellen Entwicklungsunterscheide von Kindern zu berücksichtigen, forderte Renate Hendricks. In der Schullandschaft sieht sie allerdings derzeit große Defizite: „Klassengrößen von über 30 Kindern machen ein individuelle Förderung unmöglich, Unterrichtsausfälle, fehlende oder nicht besetzte Lehrerstellen verschlechtern das Bildungsangebot. Die Offene Ganztagsgrundschule (OGS) wird vom Land nicht ausreichend finanziell unterstützt.“ Gerd Trzeszkowski ergänzt: „Dormagen hat die Landeszuschüsse für die OGS aus eigenen Mitteln verdoppelt. Umfragen haben ergeben, dass die Eltern sich eine richtige Ganztagsschule mit vielfältigen Angeboten wünschen. Es kann nicht sein, dass die Kosten dafür vom Land als Schulträger den Kommunen aufgebürdet werden.“ Für die Ganztagsbetreuung spricht sich auch Birgit Burdag, schulpolitische Sprecherin der SPD und selbst Lehrerin an einer Gesamtschule aus: „Kinder brauchen Erfolgserlebnisse und müssen in allen ihren Fähigkeiten gestärkt werden. Dies ist bei den vielfältigen Angeboten in den Ganztagsschulen besser zu leisten.“ Alle Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass es eine längere gemeinsame Schulzeit für alle Kinder geben muss, dass eine Aufteilung schon nach der 4. Klasse den Kindern nicht gerecht wird. Ihre Vorstellungen von einer „excellenten Schule“ fassten die Diskussionsteilnehmer so zusammen: Eine Schule, die alle Potenziale von Kindern entdeckt und fördert, eine gute Teamarbeit im Kollegium leistet, die Lust am Lernen nicht zerstört und vertrauensvoll mit den Eltern zusammenarbeitet. Gerd Trzeszkowski zieht das Fazit des Abends: „Gute Bildung muss von Anfang an kostenlos sein, Bildung ermöglicht gerechte Teilhabe unabhängig von der Herkunft, sie ist der Schlüssel für einen selbstbestimmten und erfolgreichen Lebensweg."